In Gedenken an Lutz Tietz (*03.11.1953 / †16.04.2022)
Lutz Tietz war einer der ersten Übersiedler in unserem Landkreis. Am Tag des Mauerfalls flüchtete die Familie Tietz (Lutz, Andrea, Katja und Robert) aus der damaligen DDR (Zeitz) nach Gauting. So dramatisch und angsterfüllt der 9. November 1989 für Lutz begann, so hoffnungsvoll endete er: Am selben Tag setze er seinen Fluchtplan in die Tat um und packte Frau und Kinder in den Trabi. An der Grenze zu Tschechien steckten sie im 7 Kilometer langen Stau und hörte im Radio, dass es nicht mehr möglich sei, über die Grenze zu fahren. "Viele haben ihr Auto stehen gelassen und sind zur Grenze gerannt". Lutz nicht: "Wir hatten ja Kinder dabei". Zwei Stunden passierte gar nichts, dann ging alles sehr schnell. Die Trabis durften wieder losrollen. Lutz steuerte ein Auffanglager in Krailling an und hatte nichts außer dem Auto. Er sagte später, dass er Glück hatte: "Innerhalb einer Woche fanden wir Arbeit und Unterschlupf".
Seit 1990 engagierte sich Lutz dann, der selbst einst DDR Zweitligaspieler bei Chemie Zeitz war, im Gautinger Sport und baute den Jugendfußball in Gauting auf, erst beim TSV, dann beim Nachfolger Gautinger SC. Von damals einer Schülermannschaft hat der GSC mittlerweile 20 Jugendmannschaften und 2 Männermannschaften im Spielbetrieb. Lutz Tietz kümmerte sich nicht nur um die Betreuung und fußballerische Ausbildung der jungen Gautinger, sondern erhält die Plätze und die Anlage beim Gautinger SC stets in einem Topzustand. Seit Jahren fuhren er und seine Mannschaften auch immer wieder in die "alte Heimat" nach Zeitz in Sachsen-Anhalt, wovon die Spieler noch viele Jahre danach schwärmen.
Lutz war bei uns u.a. Technischer Leiter, Delegierter, Fußballtrainer im Jugendbereich und der Herrenmannschaft, Turnierorganisator und vieles mehr. Aber auch Spieler bei der Ü50, mit der er 2013 ungeschlagen Münchner Kleinfeldmeister mit Siegen u.a. gegen FC Bayern München und U`-Haching wurde,
2007 erhielt Lutz vom DFB und BFV den Ehrenamtspreis, den sogen. "Lebens Oskar", für seine langjährige, verdienstvolle Mitarbeit beim Verein:
Der Gautinger SC schlug Lutz aufgrund seiner nachstehenden Verdienste für den Ehrenamtspreis vor:
- Training und Betreuung von B, C und D-Jugendmannschaften des GSC über viele Jahre
- Organisation und Durchführung des jährlichen Ausflugs unserer E- und F-Jugend nach Zeitz (Sachsen-Anhalt).
- Organisation und Veranstaltung der alljährlichen Hallenturniere für unsere Jugendmannschaften.
- Komplette Platzpflege von Rasen mähen bis markieren.
- Integration von Ausländerkindern in die GSC Jugendmannschaften.
Sein außergewöhnliches Engagement und sein unermüdlicher Einsatz in der Fußballjugend verdienten damals wie heute größte Anerkennung. Lutz Tietz ist deshalb weit über die Vereinsgrenzen hinaus höchst anerkannt und beliebt. Sein Fleiß und seine Gewissenhaftigkeit sind besonders zu erwähnen.
Sportlicher Rückblick:
Im Mai 2005 schafft der TSV Gauting erstmalig in der Vereinsgeschichte den Aufstieg in die Bezirksliga. Nach der Insolvenz des TSV übernahm der FC Gauting den Spielbetrieb im August 2005 in der Bezirksliga, wo man im Mai 2006 wieder in die Kreisliga abstieg und ein Jahr später (im März 2007, kurz vor Saisonende) sich gänzlich vom Spielbetrieb zurückzog und den FC Gauting auflöste. Der Jugendfußball ging nach der Insolvenz des TSV Gauting im September 2005 unter der Leitung von Enzo Zimmermann, Lutz Tietz und Albert Büchele zum Gautinger SC und bildet bis heute eine solide Basis für den Gautinger Fußball.
Als der GSC zur Saison 2007/08 nach dreijähriger Abstinenz eine Fußball-Herrenmannschaft im Punktspielbetrieb anmeldete, war Tietz die treibende Kraft. Lutz trainierte zu dem Zeitpunkt die A-Junioren des Vereins.
Drei Spieler mussten altersbedingt in den Herrenbereich wechseln, und um sie nicht zu verlieren, nahm Tietz 15 noch in der A-Jugend spielberechtigte Nachwuchskicker dazu und gründete eine Herrenmannschaft.
Im Sommer 2008 nahm unter der Leitung von Lutz Tietz die Erste Mannschaft in der untersten Liga (C-Klasse) wieder am Spielbetrieb teil. Mit einer makellosen Bilanz von 72 Punkte aus 24 Spielen und einem Torverhältnis von 131:16 schafft die 1.Mannschaft des Gautinger SC bereits im ersten Jahr nach dem Neubeginn den direkten Aufstieg in die B-Klasse. Dies sollte wiederum nur eine Durchgangsstation sein, denn 2010 wurde der zweite Aufstieg - in die A-Klasse - in Folge gesichert.
Unter Lutz wurden Spieler wie Ahmet Dirik zum Kapitän und Spieler wie Michael Kaiser, Dominik Fernandez oder Stefan Huber zu Legenden. Gleiches gilt für Charakteren wie Benji Gulden und Goekhan Isik.
Ahmet sagte einst, nach vier Toren einem Spiel gegen Ohlstadt in der Bezirksliga, dass Lutz der einzige Mensch in seiner Fußballwelt war, der Dirik akzeptiert hat. Er nenne Lutz immer noch Herrn Tietz, so wie damals, als er in der E-Jugend mit dem Kicken begann und sein Trainer für den kleinen Buben der Größte war. "Ich hatte keinen, der hinter mir stand", aber Lutz wurde zur Vertrauensperson und auch zum Rettungsanker, der sein Temperament (3 rote Karten und 56 Tore in einer Saison) in Bahnen lenken konnte.
„Es hat klasse angefangen“, sagt Tietz. „Dann fährt der eine in Urlaub, dann der andere, und der Dritte geht für ein Jahr nach Australien.“ Das Personal schrumpfte. Hinzu kamen Undiszipliniertheiten. „In fast jedem Spiel gab es einen Platzverweis. Das macht nicht unbedingt Spaß“, so Tietz, der seine Ablösung immer stärker herbeisehnte.
„Nach einer gewissen Zeit ist man im Männerbereich ausgelaugt. Entweder wechselt man den Verein oder die Mannschaft oder den Trainer“, so Tietz, der bedauert, dass die jungen Spieler Fußball nicht mehr die höchste Priorität einräumen. „Alles andere geht vor.“
Zum Jahresbeginn 2013 hatte Tietz Abteilungsleiter Albert Büchele kundgetan, dass er amtsmüde sei. Er bat ihn, sich um jemand anders zu bemühen, „der auch zu uns passt. Bei uns gibt's ja keine Kohle.“ Tietz hatte dabei Michi Kaiser, Trainer der Reserve, im Auge. Doch dieser zögerte erst, erklärte sich dann aber bereit, die A-Klassen-Mannschaft zu übernehmen, die damals auf dem achten Tabellenplatz überwintert. Für die zweite Garde, die in der B-Klasse angesiedelt ist, wurde Stefan Huber verantwortlich.
Lutz selbst spielte weiter in der Ü50-Mannschaft des GSC und betreute mit vollem Herzen die Jüngsten, die Anfänger, die mit vier, fünf Jahren zum Verein kommen. Bis zu 18 Buben besuchten sein Training. Ihnen bot er „eine Stunde Spaß pro Woche“ mit „Fang die Maus“, Purzelbaum und einem kleinen Hallenkick. „90 Prozent wollen ins Tor“, hatte Tietz festgestellt.
2001 hieß es in einer Chronik der Fußballer des TSV Gauting bereits:
"Jugendarbeit ist der Mittelpunkt der Abteilungsarbeit: Lutz Tietz ist ein Glücksfall für die Abteilung"!
Nachruf im Starnberger Merkur:
Der Gautinger SC trauert um Lutz Tietz, der am Karsamstag im Alter von 66 Jahren gestorben ist. Über 30 Jahre war er als Trainer und Platzwart unermüdlich für den Verein im Einsatz.
Gauting – Trainer, Hausmeister, Platzwart, Turnier-Organisator, geschätzte und respektierte Vertrauensperson: Wohl kaum jemand in den letzten 30 Jahren war so prägend für den Fußball beim Gautinger SC und seinen Vorgänger-Vereinen wie Lutz Tietz. Über Wenige gibt es so viele Worte des Lobes und der Dankbarkeit zu hören. Und – wie oft, wenn Menschen so viel Anerkennung erleben – , gehört zu ihren gerühmten Eigenschaften auch ihre Bescheidenheit.
Sich seines baldigen Endes bewusst, war es der letzte Wunsch von Lutz Tietz, einfach nur noch einmal seine Jugendmannschaft in den Osterferien ins Trainingslager nach Clermont-l’Herault in Südfrankreich begleiten zu können. „Das ging leider nicht mehr“, sagt Elisabeth Wetlitzky, Vorsitzende des Gautinger SC. Stattdessen sei er in der vergangenen Woche auf dem Rasen an der Leutstettener Straße gestanden. „Er wollte seinem Nachfolger noch zeigen, wie man den Dünger richtig ausbringt.“
Der Mauerfall am 9. November 1989 führte Lutz Tietz nach Gauting. An diesem Tag stieg er mit seiner Familie ins Auto und verließ seine Heimat. In Zeitz, in der DDR, hatte er Zweitliga-Fußball gespielt. Und Fußball sollte auch seinen Neustart und sein weiteres Leben prägen. Ein Auffanglager in Krailling war die erste Anlaufstation für Familie Tietz. Wenig später fand Vater Lutz eine Anstellung beim TSV Gauting. Er kümmerte sich um die Sportanlage. 2005, nach der TSV-Insolvenz, stellte ihn die Gemeinde an, den Nachfolgevereinen FC Gauting und GSC blieb er aber erhalten. Als Platzwart im Nebenberuf und Trainer in allen Altersklassen.
„Von der F-Jugend bis zu den Herren hat er alles trainiert“, sagt Fußball-Abteilungsleiter Oliver Stollbert, der mit Tietz zuletzt die B-Jugend der Gautinger Fußballer betreute. Ab den späten 1990er Jahren fuhr Tietz mit seinen Jugendteams zu hochklassigen Turnieren in seine ehemalige Heimat Zeitz. Schon 2001 hieß es in der Chronik der Gautinger Fußballer: „Lutz Tietz ist ein Glücksfall für die Abteilung.“
2005 gehörte Tietz dann zu denen, die nach dem Ende des TSV Gauting den Jugendfußball beim Gautinger SC weiterführten. Von zunächst einer Mannschaft wuchs die Jugendabteilung auf heute 20 Teams im Spielbetrieb. Im Jahr 2007 erhielt Tietz vom Deutschen Fußballbund und vom Bayerischen Fußballverband den Ehrenamtspreis. Der Gautinger SC hatte Tietz aufgrund seiner langjährigen Verdienste vorgeschlagen.
Als der Gautinger SC 2008 nach mehrjähriger Pause wieder eine Herrenmannschaft zum Spielbetrieb anmeldete, war Tietz deren erster Trainer. Binnen zwei Jahren führte er die Mannschaft von der C- in die A-Klasse. 2013 übergab er an Michi Kaiser, widmete sich wieder vorrangig der Jugend und kickte selbst weiter in der Gautinger Ü 50.
Tietz genoss den Respekt der Spieler. „Er war für sie wie eine Vaterfigur“, sagt Stollbert. „Er kannte von allen die Stärken und Schwächen. Er hat auch mir gezeigt, wie man mit Stärken und Schwächen umgeht. Er konnte Defizite klar ansprechen, hat das aber nie in einem rauen Ton getan.“
Elisabeth Wetlitzky sagt: „Ich kenne niemand Zuverlässigeren und Hilfsbereiteren, als es Lutz Tietz war.“ Selbst Schicksalsschläge konnten seinen Einsatzwillen für andere nicht brechen. 2016 verlor Tietz seine Frau, die an Leukämie starb, während er selbst sich einer Chemotherapie aufgrund eines Darmkrebsleidens unterziehen musste. Tietz kehrte auf den Trainingsplatz zurück, kümmerte sich weiter um den Rasen und den Fußball-Nachwuchs – auch als ihm die Ärzte nach einer neuerlichen Krebs-Diagnose im vergangenen Jahr keine Hoffnung mehr auf Heilung machen konnten. „Er hat dann keine großen Pläne mehr gemacht“, sagt Wetlitzky. „Er sagte, er sei froh um die Zeit, die ihm bleibe. Die nutzte er, um weiter das zu tun, was er liebte. „Er hat sich viel um seine Enkelin gekümmert und war weiterhin für den Gautinger SC im Einsatz, soweit es ihm möglich war.“ Anfang März war er letztmals bei Trainingseinheiten dabei. Am Karsamstag ist Lutz Tietz im Alter von 68 Jahren gestorben. (c) Stefan Reich / Starnberger Merkur, 19.4.2022)
Danke für Alles! Wir werden Dich nie vergessen, Lutz!